Andrea Fraser

*1965, Montana
http://www.art.ucla.edu/faculty/fraser.html


Werkauswahl

Untitled (2003)
Fraser, Andrea: Untitled. Video, 60 min. 2003. [1]

Fraser: „In meinem Video „Untitled“ (2003) bin ich beim Sex mit einem Kunstsammler in einem Hotelzimmer zu sehen. Der Ausgangspunkt der Arbeit ist die Metapher der Prostitution, wie sie sich im 19. Jahrhundert herausgebildet hat, als Baudelaire seine berühmte Gleichung formulierte: „Was ist Kunst? Prostitution.“ Man benutzt den Begriff „Prostitution“ heute häufig, wenn man beschreiben will, wie sich in einer kapitalistischen Gesellschaft alle zwischenmenschlichen Beziehungen, sogar die allerintimsten, auf ein ökonomisches Verhältnis reduzieren lassen. Das also war mein Ausgangspunkt, als ich Ende der 90er-Jahre, mitten in der Explosion des Kunstmarkts, die Idee zu dieser Arbeit hatte.

Während der 90er-Jahre hatte ich noch versucht, nur mit Museen und Non-Profit-Institutionen zusammenzuarbeiten, um nichts mit den Marktgesetzen im Kunstfeld zu tun zu haben. Ich musste aber einsehen, dass meine Ausbruchspläne sonicht funktionierten, und beschloss, in die Welt der kommerziell arbeitenden Galerien zurückzukehren. Dann hatte ich die Idee zu „Untitled“.

„Untitled“ sollte eine wörtlich zu nehmende Performance über die Metapher der Prostitution für den Kunstmarkt sein und keine Performance über Prostitution an sich. Der Sammler hat für den Sex nicht bezahlt: Er bekam nur das Vorkaufsrecht für die erste DVD-Edition, zu deren Produktion er sowohl in finanzieller als auch in performativer Hinsicht etwas beigetragen hatte. Ich wiederum verkaufte keinen Sex, sondern stellte ein Kunstwerk her, das mir gehören würde, das ich aber ohne seine Beteiligung nicht zustande gebracht hätte. Da die Entstehung der Kunst, die er kaufen wollte, davon abhing, dass ich das Projekt so umsetzen konnte, wie ich es mir vorstellte, war er in einer relativ passiven Position. Dass er darüber hinaus negative Konsequenzen befürchtete, falls seine Identität bekannt würde, und deshalb anonym bleiben wollte, brachte mich zusätzlich in die Position, ihn in gewissem Maße beschützen zu müssen. Die Arbeit behandelte so in vielerlei Hinsicht die Ethik unseres Tauschgeschäfts. […]“ 2

[1] Abbildung: Fraser, Andrea: Untitled, 2003. In: Economy – Crisis, Enclosures, Exodus, Life, Sex, Spectres, Work. Projekt und Ausstellung in Glasgow und Edinburgh 2012/2013. economyexhibition.stills.org/artists/andrea-fraser/ (25.11.2014).
2 Fraser, Andrea: Andrea Fraser über Prostitution. Die Künstlerin Andrea Fraser über ihr Video „Untitled“, in dem sie beim Sex mit einem Kunstsammler zu sehen ist. In: Monopol – Magazin für Kunst und Leben. http://www.monopol-magazin.de/artikel/2010488/andrea-fraser-prostitution.html (24.11.2014), datiert mit 02.04.2009.


Sekundärliteratur [Auswahl, siehe auch Bibliographie]

Fraser, Andrea / Cugini, Carla (Hg.): Andrea Fraser – Texte, Skripte, Transkripte. Anlässlich der Ausstellung „Andrea Fraser“. Museum Ludwig Köln. Köln: König 2013.

Hinz, Melanie: Vom Paradigmenwechsel des Prostitutionsdiskurses im Theater und in der Performance-Kunst. In: Dies.: Das Theater der Prostitution: Über die Ökonomie des Begehrens im Theater um 1900 und der Gegenwart. Bielefeld: Transcript 2014, S. 187-198.

Trebay, Guy: Sex, Art and Videotape. In: The New York Times, 13.06.2004. www.nytimes.com/2004/06/13/magazine/13ENCOUNTER.html (24.11.2014).