Ökonomie und Kunst

Unter Betrachtung sowohl der Makro- als auch der Mikro-Ebene der Ökonomie stellen Künstlerinnen gezielte Fragen nach dem Zusammenhang zwischen Geschlecht und ökonomischer Ungleichheit. Das Forschungsprojekt untersuchte, welche ökonomischen Problematiken thematisiert und welche ökonomischen Prozesse in den Kunstwerken dargestellt und diskursiviert werden. Dabei war interessant, wie die theoretische Splittung in biologisches und soziologisches Geschlecht (sex und gender) von den Künstlerinnen ästhetisch und thematisch berücksichtigt wird.
Das Frühwerk Elfriede Jelineks z.B. unterläuft eindeutige Identitäts- bzw. Rollenzuweisungen durch geschlechterhybride Figuren, indem es diese stets mit der sozialen Frage nach den ökonomischen Bedingungen der Menschen konfrontiert. Es bezieht eine Avantgarde-Position, die Parallelen auch zu den zeitgenössischen, bildenden Künstlerinnen und ebenso den Künstlerinnen in den USA aufweist.

Mit Peter Weibel ist es bemerkenswert, dass gerade die Avantgarde-Bewegung der 1970er Jahre von Künstlerinnen in Österreich viele Aspekte der später aus den USA rückimportierten Gender-Debatte bereits thematisiert hatte:

Zu den tragischen Folgen der Selbstzerstörung Europas im zweiten Weltkrieg zählt, daß das, was in den 90er Jahren vom Kunstbetrieb als gender-Debatte aus den USA importiert wurde, in den 70er Jahren in Europa schon stattfand und von diesem Kunstbetrieb unterdrückt wurde.
In Österreich sind VALIE EXPORT und Birgit Jürgenssen als zwei herausragende Künstlerinnen zu nennen, die in den 70er Jahren begannen, kulturelle Konstruktionen von Weiblichkeit zu untergraben und dabei ihre Körper als Projektionsfläche kultureller Codes und deren Kritik zu benutzen. [1]

Man kann ergänzen, dass Weibels Beobachtung auch für die anderen Kunstgenres gilt. Das Projekt zieht demnach Verknüpfungslinien zwischen den Frühwerken von z.B. Birgit Jürgenssen, Elfriede Jelinek und US-amerikanischen Künstlerinnen wie Martha Rosler oder Cindy Sherman und dokumentiert in einem Bogen bis zur Jetztzeit die Entwicklungen, die die dekonstruktivistisch-feministischen Avantgarde-Positionen gegenüber dem Konnex von Ökonomie und Gender bis heute bezogen haben.

Obschon aufgrund vieler sozialer Verbesserungen der Kapitalismus seit 1989 als unumgängliche, akzeptierte Wirtschaftsform gilt, beziehen sich Künstlerinnen wie Jelinek, Streeruwitz oder Jenny Holzer und Barbara Kruger weiterhin kritisch auf die wirtschaftlichen Bedingungen – gerade aus Frauenperspektive.
Sie reagieren auf die wirtschaftlichen Veränderungen der 1990er Jahre, die zu einem Wandel der Gesellschaft zur Dienstleistungs- und Freizeitgesellschaft führte, schnell aber von den globalen Entwicklungen eines aggressiven Spekulationsgeschäfts um Neue Technologien und Bodenschätze eingeholt wurde.

Einen starken Einbruch hat die globale Wirtschaft im Frühjahr 2000 in der sog. „Dotcom-Blase“ erlitten. Die Spekulationsgeschäfte rund um die New Economy führten in vermeintlich sichere Anlage-Geschäfte mit Immobilien, die in den USA durch die Vergabe von Krediten für Hauskäufe angekurbelt wurden. Die daraus entstehende „Immobilienblase“ führte 2007 in eine globale Bankenkrise, die Insolvenz der Bank Lehman Brothers steht am Anfang des Zusammenbruchs des Bankenwesens, der bis heute, wenn überhaupt, nur durch staatliche Maßnahmen verhindert wird.
Im Zuge der Finanz- und Wirtschaftskrisen kommt es zu einer Verschärfung der Arbeitsmarktsituation, Insolvenzen führen zu Kürzungen oder Arbeitsplatzverlusten. Gerade Frauen sind von den wirtschaftlichen Krisen stark betroffen. Im Bereich des alltäglichen und sozialen Lebens schreitet eine Ökonomisierung des Privaten voran.
Das Werk Kathrin Rögglas leistet hier einen künstlerischen Beitrag zur Gouvernementalitätskritik. Die aktuelle Finanzkrise, die ebenfalls eine Vertrauenskrise darstellt und die sich z.B. in Griechenland bereits als Staaten- und Demokratiekrise ausdrückt, wird in den Texten Elfriede Jelineks bis zu den neuesten Essays Warnung an Griechenland vor der Freiheit und Und vergib uns unsere Schuld, aber dabei würden wir uns doch was vergeben! Warum nicht. Es gibt uns doch auch sonst keiner was. Hä? kritisch verfolgt. Die von ihr ironisierte sprachliche Verbindung zwischen Religion und Banken, nimmt auch die jüngere Generation wie Zenita Komad in ihren Installationen I love God („Gott ist kein Bankomat“, 2012) auf.

Die Recherchearbeit an diesem Bereich wird von der Forschungsfrage gestützt, inwieweit real-ökonomische Verhältnisse oder Ereignisse tatsächlich in den Kunstwerken „widergespiegelt“ oder vielmehr fiktionalisiert werden. Hier ergaben sich anschließende Fragen nach der Repräsentation verschiedener Gesellschaftsgruppen und dem Realismusanspruch avantgardistischer Kunst.

[1] Weibel, Peter: Birgit Jürgenssen oder Körper-Kunst wider die Semiotik des Kapitals. In: Ausst.-Kat. Birgit Jürgenssen. Früher oder Später. Linz: Oberösterreichisches Landesmuseum 1998, S. 83-85.